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14.05.2012

Campino

Eine ganze Stunde mit Campino! Themen: das 30. Jubiläum der Toten Hosen, das neue Album "Ballst der Republik" / "Die Geister, die wir riefen", Fortuna Düsseldorf, die Fußball-EM und Campinos Leben. Und das mit allem, was dazugehört: Musik, Bücher, Schriftsteller, Liebe, Familie, Freunde, Wünsche, Tour, Reisen...

"Drei Kreuze, dass wir hier sind!"

Damit fängt das Album an: dass die Hosen noch da sind überrascht am meisten Campino selber. Schließlich gab es vieles, was eine Band normalerweise dazu bringt, einfach alles hinzuwerfen und aufzugeben. Da gab es zum Beispiel Todesfälle in ihrem Umfeld, bei denen auch Unfälle und Drogen im Spiel waren. Doch aus jedem Kampf gingen die Hosen als Sieger hervor.

Piloten sagen zu so etwas "position request": Im Lied "Ballast der Republik" erfährt man im Text die zeitliche und örtliche Position zum Zeitpunkt der Geburt der Toten Hosen. Das 15. Album hingegen war keine leichte Geburt: Campino wusste es spätestens in dem Moment, als er seinem Bruder die ersten Songs vorspielte und dieser sagte, "...da ist nichts Lustiges dabei. Du musst nach vorne gehen!".

Der Antrieb, neue Songs zu schreiben

Die Fragen nach verkauften Platten und Chart-Platzierungen waren für Campino nie der Antrieb neue Songs zu schreiben. Im letzten Interview sagte er: "So lange die Erlebnisse in den Songs verarbeitet werden können, die eine Dringlichkeit ergeben, die wir gerne in Lieder umwandeln, so lange gibt es auch immer wieder eine Herausforderung neue Stücke zu schreiben und neue Alben heraus zu bringen." Campino greift den Satz auf und sagt: "Warum schreibe ich wieder über die Liebe oder den Tod? Sicherlich nicht um über meine privaten Dinge zu schreiben, sondern um dem Hörer nahe zu legen, dass es mir um Aufrichtigkeit geht und dass ich nicht versuche Dinge in meinem Leben zu vertuschen, die weniger sexy sind und die vielleicht gar nichts mit Rock'n'Roll zu tun haben, die aber dazu gehören um mir irgendwo meine Gedanken in Gesamtheit abzunehmen."

"Nie wieder Hossa!"

Diese Gesamtheit beinhaltet die neuen Songs wie "Traurig einen Sommer lang", in dem zahlreiche verstorbene Musiker vorkommen: Jim Morrison, Sid Vicious, Bon Scott, Michael Jackson und Rex Gildo. Sicherlich hat Campino den Song mit einem Augenzwinkern geschrieben: "Nie wieder Hossa!", so hieß es in einer Boulevardzeitung nach dem Tod von Rex Gildo. Campino hat den Zeitungsausschnitt aufgehoben.

Die Songs des neuen Albums

Auf dem Album gibt es den Fußball-/"Fortuna Düsseldorf"-Song "Schade, wie konnte das passieren". Das erste Relegationsspiel gegen Hertha BSC lässt hoffen, dass Fortuna Düsseldorf nach 15 Jahren endlich in die 1. Bundesliga aufsteigt. Für seinen verstorbenen Vater hingegen gibt es auf dem Album den Song "Draußen vor der Tür". Der Songtitel hat aber nichts mit dem bekannten Theaterstück von Wolfgang Borchert zu tun, sondern mit einer Szene, die bestimmt jeder kennt: wenn man weg geht und die Eltern immer an der Tür winkend zurück bleiben. Für Campinos Sohn gibts "Das ist der Moment". Das ist ein inniger Song über den Moment in dem Campino und sein Sohn "ihren gemeinsamen Song" hören. Es bleibt offen welcher Song das ist, denn Campino ist immer auf der Jagd nach dem besten Lied! Wenn er wüsste wie man ein solches Lied schreibt, gäbe es mehr Songs wie "Tage wie diese".

Der Song "Oberhausen" steht für jede deutsche Stadt in der sich Liebesgeschichten, die nicht funktionieren, abspielen. Campino kennt sich da ganz gut aus: "Doch jedes Mal wenn er sie ansieht, dann wird ihr klar wie sehr er sie liebt, jedes Mal wenn sie ihn ansieht, wird ihm klar wie sehr sie ihn liebt..." - gemeinsam klappt es aber nicht, sagt er. Er sehnt sich danach das perfekte Liebeslied zu schreiben. Für mich war das schon der Song "Auflösen", aber Campino will es noch besser machen. Vielleicht sucht Campino aber auch die perfekte Liebe, von der in den Songs die Rede ist.... Doch alle seine Lieblings-Liebes-Lieder handeln von der unglücklichen Liebe: "Love for sale" von Elvis Costello oder "Nothing compares 2 u" von Sinead O'Connor, bzw. Prince. Die Beatles müssen ein glückliches Liebeslied haben, meint er.

"Ballast der Republik" ist auch politisch: "Europa" erzählt von der momentanen politische Situation, in der wir leben und über Campinos Ärger über die "Festung Deutschland". Nein, Campino glaubt nicht, dass Europa funktionieren wird.

Das Album endet mit dem Tod: "Vogelfrei" - "durch den schwarzen Tunnel in das Licht, zum Wasserhahn aus dem Champagner fließt".

"Die Geister, die wir riefen"

Auf der zweiten CD befindet sich ein weiteres Album: Das Album "Die Geister, die wir riefen" ist ein Geschenk an alle Fans. Darauf enthalten: 15 Coversongs und Raritäten wie "Im Nebel", ein Gedicht von Hermann Hesse, zu dem Campino gleich eine Melodie im Kopf hatte. Und einige Tage später hatte er schon wieder eine andere Melodie. Also ging er wieder ins Studio. Als er dieses Lied gesungen hat, hat er sich am wohlsten während der Arbeit am aktuellen Album gefühlt. Um Hannes Wader hat er lange einen Bogen gemacht, er war ihm zu hippiemäßig, aber jetzt kennt Campino seine Qualitäten und ist etwas irritiert, dass die Hosen mit "Heute hier, morgen dort" oder einem anderen Wader-Lied nicht auf dem Tribute Album für Hannes Wader vertreten sind. Das Lied "Schrei nach Liebe" ist ein kollegialer Gruß an "Die Ärzte": von Düsseldorf nach Berlin. Zwischen den Ärzten und den Hosen gab es alle Phasen zwischen Freundschaft und Feindschaft eigentlich alle Phasen. Hier geht es jedoch nur um eins: Respekt.

Salzstangen und altes Brot

Am 22. Juni wird Campino 50. Gerhard Polt, den Campino gut kennt, hat zu seinem eigenen runden Geburtstag gesagt: "Jubiläen müssen mit etwas mehr Aufwand gefeiert werden. Man kann dafür z.B. Salzstangen nehmen, die kann man auf dem Tisch gut drapieren, man kann sie auch in altes Brot stecken! Und wenn die Zähne schlecht sind, kann man sie zuzeln." Campino lacht und sagt: herrlich, so macht er das mit seinem 50. Geburtstag auch. Mit Salzstangen. "Im Sinne von Gerhard."





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