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19.04.2012

Die Ärzte

Wie Die Ärzte auf den Albumtitel "auch" kamen

Das neue Album trägt den ungewöhnlichen Titel "auch". Haben sich Die Ärzte (kurz DÄ) lange überlegt, wie das Album heißen soll?

Farin sagt: "Ja schon, also es gab normalere Titel, aber Bela hat sich dann mit einer überraschenden Hartnäckigkeit bei 'auch' festgebissen und hat uns einfach überzeugt. Und ich bin total froh, weil es ein sensationell guter Titel ist. Er war am Anfang ein bisschen unauffällig. Dann dachte ich: 'Auch? Aber ich habe doch noch diesen und jenen Vorschlag.' Und Bela meinte: 'Ja, aber 'auch' ist cooler.' Und ich so: 'Najaaaaa' und jetzt seh ich halt, er hatte Recht ... der alte Visionär."

Motto: normales Thema absurd umsetzen

Seit 1982 sind DÄ die Beste Band der Welt. Sie haben legendäre Konzerte gegeben, sie gelten als die Erfinder der Sitzlaola und sie vermitteln Spaß wie kaum eine andere Band: sie tun das, was ihnen Spaß macht. Und so war es auch bei ihrem neuen (etwa 25. offiziellen Studioalbum) "auch". Farin sagt: "Wenn das, worauf wir Lust haben langweilig ist, dann haben wir keine Lust drauf". Farin hat bis jetzt wahrscheinlich 800 oder 900 Songs geschrieben. Oft denkt er: Mist, darüber habe ich schon geschrieben. "Okay, wir schreiben jetzt ein originelles Lied." Bei den Ärzten ist der Ausgangspunkt: ein normales Thema absurd umsetzen.

Die Jungs wollen sich beeindrucken

Für das neue Album haben Bela, Farin und Rod gleich viele Songs geschrieben. 16 Songs insgesamt sind darauf, weil um einen noch sehr gekämpft wurde. Die Arbeit an einem neuen Album beginnt damit, dass sich Bela, Farin und Rod gegenseitig beeindrucken wollen und die neuen Songs vorstellen, gelegentlich überraschen sie sich selbst: So ist Farin vor Bela in die Knie gegangen, als er die Zeile "hast du nichts besseres zu tun als die Ärzte zu hörn?" vorgetragen hat.

In ihrem Song "zeiDverschwÄndung" geht es um Fans und die Frage: "Es gibt soviel zu sehn es gibt doch soviel zu lernen, hast du nichts besseres zu tun als die die Ärzte zu hörn?"

Schmaler Grad zwischen beständig und belanglos

Auf das hohe Qualitätsniveau ist bei den Ärzten immer Verlass. Egal, ob es um die Songs auf dem Album geht, ihre Liveauftritte oder Interviews.

Man muss einmal Farins erwartungsfreudiges Auge sehen: welche Frage kommt jetzt? Okay: das Thema Beständigkeit und Verlässlichkeit. Farin holt aus: "Es ist ein schmaler Grad zwischen Berechenbarkeit, Beständigkeit auf der einen Seite und Belanglosigkeit und Wiederholung auf der anderen Seite. Es gibt ein paar Sachen, auf die wir unglaublich hohen Wert legen: wir haben die Covers, überhaupt unser ganzes Art Work, das ist mit viel Liebe gemacht. Also, wir gehen nicht zu irgendeinem Grafiker und sagen: wir brauchen 16 T-Shirts für die Tour, mach halt irgendein Scheiß, sondern wir feilschen um jedes einzelne Motiv."

Manche Fans wollen keine Veränderung

Farin weiter: "Wir geben uns total Mühe mit unseren Texten, aber wir versuchen auch gleichzeitig immer mal wieder neue Dinge auszuprobieren. Da gibt's natürlich auch Sachen, die manche Leute enttäuschen. Da gibt es Menschen, die uns, sagen wir mal, in der Planet Punk Phase entdeckt haben. Für die sollen wir am liebsten überhaupt nichts verändern, wir sollen ewig Planet Punk neu raus bringen, sie sind natürlich enttäuscht wenn wir ein Album machen, wo, mehr Streicher oder mehr Balladen drauf sind. Da sagen die "Nein, das sind nicht meine Ärzte!" Dann gibt es Leute, sie haben uns z.B. zu "Rock'n'Roll Realschule" entdeckt und für die sollen wir immer etwas Gediegenes, z.B. mit Orchester, machen. Sie sind dann enttäuscht, wenn zu viel verzerrte Gitarren zu hören sind. Also, der Fan an sich ist konservativ, wir versuchen es nicht zu sein und immer wieder ein, zwei Schritte voraus zu sein".

Zuerst muss das Album uns gefallen

Das meint Bela: "Wir wären also ganz schnell weg vom Fenster, wenn wir nicht versuchen würden, was wir mit jeder Platte tun. Nämlich zuerst uns drei zu befriedigen. Das Album müssen wir alle drei toll finden. Und im besten Fall wächst es noch beim Anhören. Ein Zeitlang waren wir die einzigen, die das hören konnten...auch unsere Plattenfirma hat es ziemlich spät gehört und da haben wir gesagt: es wird besser! Von Mal zu Mal.

Bei den Texten gibt es eine Art Wettbewerb zwischen Farin und Bela. Bela sagt: "Seit wir 17, 18 sind geht das so. Wer hat den lustigsten Reim, wer hat das abgedrehteste Thema! Wärst du ein Eis, dann eins, das schmilzt, wärst du ein Stoff, dann wärst du Filz. Das war mein Beitrag in diesem Wettbewerb!"

Ich bin fast 50 und so sehe ich auch aus

Der Song "zeiDverschwÄndung" spricht das Thema Fans an, die für jeden Künstler sehr wichtig sind. Manche gehen mit der Entwicklung mit, manche sind konservativ und manche, sagt Farin, sind total frustriert, dass wir älter werden. Das betrachten die wirklich als Katastrophe "Oh mein Gott! Der hat Falten! Der ist ja fett geworden... Das Tragische ist, wie gehen sie selbst damit um, wenn sie selber in das Alter kommen? Dann müssen sie sich aufhängen! Ja, Hallo! Ich bin fast 50 und so sehe ich aus! Wo ist da die große Überraschung?"

Herz und Schmerz scheidet aus

Rod war leider nicht beim Interview dabei, aber er hat so viele Songs zum Album beigesteuert wie nie zuvor. Wenn man den Song "Cpt. Metal" hört, kommt eine unglaubliche Sologitarre vor. Und die hat Rod gespielt.

Dieser Poptalk könnte ewig so weiter gehen. Alle hatten viel zu sagen. Farins Meinung: "Sprache ist das Spannendste überhaupt, die Nuancen in der Sprache...das beschäftigt uns. Zwischen Bela und mir existiert seit den 80ern dieser Wettkampf um das absurdeste Wort oder die seltsamste Redewendung, die man auf einem Album benutzen kann. Oder den interessanteste Reim, der noch nie da war... also "Herz [amp] Schmerz" scheidet aus, so viel kann ich verraten. Das ist schon unsere Faszination an Sprache. Es gibt auch Autoren, die wir uns gegenseitig empfehlen: Hey, der geht gut mit Sprache um. Das ist schon wichtig für uns.





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