Geschichten & Gespräche mit internationalen
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10.04.2010

Herbert Grönemeyer

Berlin, an einem herrlichen, sonnigen Tag. Normalerweise gibt Herbert Grönemeyer zwischen zwei Alben keine Interviews. Vor einem neuen Album, oder einer Tour, steht Herbert stundenlang zur Verfügung und er gibt ausführlich Informationen über alles, was Journalisten von ihm in diesem Zusammenhang wichtig erscheint. Die Mehrheit der Journalisten hat inzwischen verstanden, dass Details aus Herbert's Privatleben kein gutes Thema für ein Interview sind. Er ist einfach einer, dessen Erfolg schon seit langem untermauert ist, er braucht keine großen Schlagzeilen, schon gar nicht die, die auf seinem Privatleben basieren.

Seit 10 Jahren lebt er nun in London. In letzter Zeit ist er öfter in Berlin. Seine Tochter studiert dort, sein Sohn in England. Herberts Produzent und Freund Alex Silva lebt inzwischen auch in Berlin, so hat Herbert das große Studio nach Berlin verlegt. Und da Herbert London sehr mag, pendelt er. Es ist vielleicht auch eine Frage der Privatsphäre, die sich in Berlin stellt: nie sicher zu sein, ob man in aller Ruhe auf die Straße gehen kann und nicht ständig erkannt wird. Einmal habe ich Herbert am Flughafen in Berlin zufällig gesehen. Seine ganze Körperhaltung war auf Abwehr: bloß nicht erkannt werden, nur nicht angesprochen werden. Und er hat nichts getan um irgendwie aufzufallen - also bin ich nur lächelnd an ihm vorbei gegangen auch wenn man zunächst denkt: Es wäre ganz normal "Hallo" zu sagen.

Nun treffen wir uns in einem Raum voller warmer Farben. Herbert erzählt, der Stand der Dinge bei ihm sei gut: Er bereitet sich für seine Tour vor. Das letzte Album hat er nicht mehr gehört, seit es veröffentlicht wurde, aber sobald er sich ans Klavier setzt, kommen die Texte wieder. - wie in einem Theaterstück, das man lange nicht gespielt hat...in dem Moment, in dem man zur Tischlampe geht, muss man fragen: "Hallo, wie geht's?" Und der Text kommt automatisch, auch wenn man ihn lange nicht mehr gesprochen hat.

Die Tour ist so gelegt, dass die EM nicht dazwischen kommt. Einige wichtige Spiele wird er im Stadion sehen, sonst arbeitet er: an neuen Songs und an Textübersetzungen. Er plant, einige seiner Songs in Englisch zu singen, beispielsweise Lied 7 von seinem aktuellen Album: "Ich Versteh". Das war auch einer der Highlights bei der letzten Tour.

Nächstes Jahr beginnt er wahrscheinlich mit der Arbeit am neuen Album, das womöglich 2010 erscheinen wird, vielleicht gibt's vorher noch ein Best-Of Album mit ein bis zwei neuen Songs.

Und sonst? Einer der politisch so interessiert ist wie Herbert Grönemeyer betont, dass es uns in Deutschland immer noch viel besser geht als den Engländern beispielsweise, auch wenn wir auf die Frage "Na, wie geht's?" meistens vorwurfsvoll mit "Ach, wie soll es mir schon gehen...?" antworten. Herbert meint, die Rheinländer, insbesondere die Kölner, sind die einzigen die diese Frage immer mit "Suuppper geht's... es ist nie besser gegangen!" beantworten. In England ist jeder hoch verschuldet, die Preise explodieren, er hat den direkten Vergleich.

Herbert hat uns bei der Tour 2007 überrascht, indem er zwischendurch Gitarre gespielt hat. Sein Traum ist es, wie ein Rocker Gitarre zu spielen. Er nimmt Unterricht. Er kann schon Gitarre spielen, er war gut im Picken, er konnte die Songs von Dylan, John Renbourn oder Bert Jansch nachspielen. Herbert möchte aber eine tiefhängende Gitarre spielen, eben wie ein echter Rocker.

Also, Pläne hat er. Und ein eigenes Plattenlabel, seit längerer Zeit schon, auf dem er gute Musik veröffentlicht: "Grönland" versteht sich mehr als ein Plattenlabel, das neue Künstler findet, sie aufbaut und sie nicht verheizt. Eine dieser Bands in England ist zum Beispiel "The View".

Nun hat er Philipp Poisel verpflichtet und Philipp hat alles um erfolgreich werden. Man muss ihn nur gebührend vorstellen. Es gibt Leute, die Philipp mit Clueso vergleichen. Aber ist das nicht immer am einfachsten? Schublade auf, einsortieren, Schublade zu. Dabei sind Philipp und Clueso schon musikalisch sehr unterschiedlich.

Herberts Knie hat ihm bei den letzten zwei Touren Probleme gemacht. Die Antwort ist nicht lustig: man hat erst jetzt festgestellt, dass Herbert eine Hüftdysplasie hat. Schon als Kind konnte er bestimmte Dinge nicht tun, aber keiner hat gewusst, was das wirkliche Problem war. Jetzt steht er vor dem Problem und er macht alles was man ihm rät: nicht mehr joggen, kein Fußball mehr spielen, aber ein bestimmtes Training. "Singen darf ich noch", lacht er. Also, Daumen drücken, dass es nicht schlimmer wird und wir Herbert oft lachen hören. Sein Lachen ist absolut ansteckend.

Nächstes Jahr werden wir uns an 25 Jahre "Bochum" erinnern, an das Album, mit dem ihm der große Durchbruch gelungen ist. Seit dem ist Herbert ein Teil unseres Lebens geworden.

Es war ein Ausnahmetermin mit einem Ausnahmekünstler.

Philipp Poisel
Clueso
Herbert Grönemeyer




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