Geschichten & Gespräche mit internationalen
Künstlern und Künstlerinnen
02.11.2011

Maria Mena

Eine Weile lang war es ruhig um Maria. Sie sagt: "Ich habe mir ein Jahr freigenommen. Na ja, so ganz frei auch nicht. Ich habe derweil Songs geschrieben. Aber eben nicht im Stress, sondern mit viel Zeit. Und die habe ich auch dringend gebraucht. Ich wollte es soweit bringen, dass ich meinen Job vermisse und mir bewusst wird, wie viel Glück ich habe. Indem ich den Faktor Arbeit in diesem Jahr ausgeblendet habe, fand ich zurück zum Spaß an der Arbeit."

Die Frage nach dem "Warum?"

Maria Menas Karriere verfolge ich, seit sie mit 18 Jahren zum ersten Mal hier war. Damals war sie ein bisschen burschikos. Aber schon damals hat sie mit ihrer Stimme überzeugt. Nun, mit ihren 25 Jahren, staunt man: Sie hat an sich gearbeitet. Sie wollte verstehen, warum sie als kleines Mädchen so unglücklich war. Warum sie so rebelliert hat, als sich die Eltern scheiden ließen. Warum sie Essstörungen hatte. Warum sie dachte, dass Liebe nicht selbstverständlich ist, dass man für sie kämpfen muss. Und warum sie so oft wütend war.

Das Problem mit der Liebe

Inzwischen hat sie die Liebe zugelassen. Sie ist verlobt und der Mann, der sie dazu gebracht hat, eine neue Seite an sich zu entdecken, hat sie richtig herausgefordert. Maria sagt, sie hat zwar die Liebe immer erkannt, aber sie hatte Probleme damit, sie zu akzepteiern. Vielmehr war sie immer damit beschäftigt, die Menschen, die sie geliebt haben, von sich zu stoßen. Sie hat sich schnell verliebt - genauso schnell war die Verliebtheit aber auch vorbei. Als sie ihren Verlobten kennengelernt hat, begriff sie, dass sie sich ändern und der Liebe öffnen muss. Und so heißt ihr neues Album "Viktoria". Was hat all das mit ihrer Musik zu tun?

Die Bedeutung von "Viktoria"

Einfach alles. "Viktoria" ist Marias zweiter Vorname, den sie bekommen hat, als sie zehn Jahre alt war und ihre Uhrgroßmutter starb. Einige ihrer Schulfreundinnen, einige dieser "cute girls", hatten einen zweiten Vornamen. Und so freute sich Maria, auch einen zweiten Vornamen zu haben.

Ein neuer Mensch

Als Maria jetzt ein Jahr Pause gemacht und die Veränderung in sich bemerkt hat, war sie sich sicher: Das ist die Viktoria in ihr. Sie ist ruhiger, sanfter, geduldiger und stärker. Sie erklärt: "Viktoria beschreibt die Person, die ich geworden bin. In diesem Jahr hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Und ich habe festgestellt, dass sich meine Situation in den paar Jahren kaum verändert hat. Aber ich habe gelernt, damit ganz anders umzugehen. Manchmal habe ich gedacht: Vor drei Jahren wärst du noch schreiend weggelaufen, und jetzt? Ich verstehe diese neue Person nicht: Warum bin ich so ruhig und entspannt? Wie habe ich gelernt, mir zu vertrauen? Darüber habe ich dann Lieder geschrieben: Über den Lernprozess, sich selbst zu vertrauen. Und anderen zu vertrauen. Und wie ich mir beigebracht habe, gute Situationen zu akzeptieren".

Thema Verzeihung

Es ist aber nicht so, dass Maria uns nun in ihren Songs alle Details aus ihrem persönlichen Leben erzählt. Maria hat eine Grenze, die sie nicht überschreitet: "So weit gehe ich und nicht weiter!" Das Schöne an ihren Songs ist, dass man sich als Hörer oft wieder erkennen kann. Das Album "Viktoria" handelt vom Verzeihen: Wir wissen, es gibt niemanden, der uns beibringen kann, wie wir verzeihen können. Und so meint Maria, dass man immer bei sich selbst anfangen soll: Man könnte sich selbst Fehler verzeihen. "Takes one to know one" war ursprünglich ein Song über jemanden, auf den Maria wütend war. Bis sie versanden hat, dass dieser jemand - sie selbst ist. Und, dass sie ihre Fehler einsehen und sich selbst trotzdem lieben kann.

Duett mit Xavier Naidoo?

Maria liebt große Melodien, den dramatischen Sound. Und auch wenn sie keine Noten lesen kann, kann sie ihrem Produzenten mit ihrer Stimme alles erklären: "Diese Melodie hätte ich gerne als Akkordeon, diese hier als Geigen." Mads Langer hat sie nach einem Konzert kennengelernt. Herausgekommen ist "Habits", ein Song, der sich von Anfang an als Duett angeboten hat. Gerne würde sie mit Xavier Naidoo arbeiten.

Demnächst geht sie auf Tour. Sie überlegt schon jetzt was sie singen wird. Nach dem Massaker von Utoya hat sie ihre norwegischen Landsleute mit dem Song "Lile land" getröstet. Aber diesen Song wird sie eine Weile nicht mehr live singen, zu schwer ist die Last der Trauer.

Ihr erstes Lieblingslied

Wir unterhalten uns beim Interview über alles Mögliche, und so kamen wir auch auf ihren ersten Lieblingssong. Maria erzählt: "Ich war elf Jahre alt, als ich die Musik für mich entdeckte. Eines meiner Lieblingslieder war "mmmbop" von Hanson. Es war die Band, die Jungs, man kann das kaum erklären. Jeder, der heute ein Kind hat, das Justin-Bieber-Fan ist, weiß sicher genau, was ich meine. Du bist komplett hingerissen von Menschen, die du gar nicht kennst. Es ist schon irre: All meine Freunde, die ich bisher hatte, waren blond und langhaarig. Hanson haben also meinen Männergeschmack geprägt. Der Kreis schloss sich, als ich, der Riesenfan, mit ihnen in Amerika auf Tour gehen durfte. Ein paar Jahre zu spät. Sie hatten alle schon Kinder. Sie waren sehr nett, aber mein Gefühl für sie hatte sich inzwischen normalisiert."

Beim Abschied sagt sie, dass sie vielleicht ein Album nur mit einer Gitarre und ihrer Stimme macht, um sich noch besser kennen zu lernen. Außerdem hat ihr Gitarrist ihr das allerwichtigste beigebracht: Ein Mikrofon fängt alles auf.

Maria Mena
Xavier Naidoo




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