Geschichten & Gespräche mit internationalen
Künstlern und Künstlerinnen
10.04.2010

Sharleen Spiteri

Schottisch klingt toll. Nach den Interviews mit Marti Pellow, Travis, Amy MacDonald, Jim Kerr, Midge Ure oder Paolo Nutini haben sich die Ohren an die Sprache gewöhnt und ich kann Sharleen problemlos verstehen.

Sharleen Spiteri gilt als die schönste Frau in der britischen Musikszene.

Das zu hören schmeichelt ihr, vor allem deshalb, weil sie auch eine der ältesten ist: Sharleen ist 41 Jahre alt. Sie wundert sich, dass noch immer Interesse an ihrer Musik besteht. Heute enden Karrieren häufig nach einem einzigen Hit!

Bei Sharleen ist das anders.

Nach 9 Alben und 22 Jahren Karriere ist sie sehr stolz auf sich selbst und ihre Band Texas.

Trotzdem hat Sharleen jetzt ihr erstes Soloalbum aufgenommen: "Melody"

Die Songs auf dem Album handeln von ihrer Trennung nach 10 Jahren Partnerschaft und das ist auch der Grund dafür, dass sie es alleine aufnehmen wollte: "Ich hatte Bedenken meinen Freunden in der Band - und manche von ihnen sind wie meine Brüder - meine Trauer und meine Verletzlichkeit zu zeigen. Ich hätte mich dabei unwohl gefühlt." Was nicht heisst, dass es mit "Texas" vorbei ist. Nur dieses Album konnte sie nicht mit ihrer Band aufnehmen.

Das Interview mit Sharleen ist emotional. Sie hat eine Million Erinnerungen die sie in sich trägt und sie erwartet Fragen, die anders sind als die Fragen, die man einer Katy Perry oder jemandem, der nur zwei, drei Alben gemacht hat, stellen würde.

Sharleen ist eine sehr selbstbewusste Frau, die ihre Meinung sagt. Sie war schon einige Male bei hr3 und ich war bei ihr in Glasgow. Mit jedem Interview lernt man sie ein Stückchen besser kennen und mit jedem Mal erlaubt sie einem einen Blick mehr in ihre Seele. Sie versucht alles so gut es geht zu erklären, meint aber charmant: "Wir Musiker können nicht gut reden, deshalb schreiben wir Songs."

Erst als sie den Song "Stop, I don't love you anymore" geschrieben hat, wurde ihr ihre Lage richtig bewusst. Glücklich schätzt sie sich, wenn jemand anders diesen Song hört, ihn mit anderen Personen in Verbindung bringt und zu seinem eigenen Song macht, in dem er ihn mag und immer wieder gerne hört. Der Künstler muss es erlauben, dass der Song nach der Veröffentlichung nicht mehr ihm allein gehört.

Beim Stichwort "Erinnerungen" meint Sharleen, dass dies ein Thema ist, über das sie gerne reden möchte. Intensive Erinnerungen bleiben für immer und so emotional wie sie selbst ist, trägt sie alles in sich. Es sind Millionen Erinnerungen! Unvergessliche Begegnungen, z.B. als sie Wim Wenders bei einem Konzert besucht hat. Das war ein wichtiger Besuch, denn nach seinem Film "Paris Texas" hat sich die Band um Sharleen genannt: "Texas". Dann war da noch Ry Cooder. Der hat wahrscheinlich die längsten Zehen, die Sharleen je gesehen hat, er läuft immer in Flip-Flops. Und unvergesslich sind für Sharleen Konzerte, bei denen sie in einer schwierigen Gemütslage war und dennoch singen musste, während ihr Herz zu zerbrechen drohte.

Sharleen hatte vor gar nicht so langer Zeit große Probleme mit ihrer einzigartigen Stimme: Auf dem Stimmbändern hatten sich Knoten gebildet, die operativ entfernt werden mussten. Es lag nicht an ihrer Gesangstechnik, diese beherrscht Sharleen ins Detail. Es war wohl eher die Körperhaltung, die man einnimmt, wenn man Gitarre spielt wie sie und dabei gleichzeitig singt.

"Melody" war der erste Song, den Sharleen nach der Stimmbandoperation und dem anschließenden dreimonatigen Stimmband-Training aufgenommen hat. Wenn man den Song aufmerksam hört, dann bemerkt man, wie vorsichtig sie dabei mit ihrer Stimme gearbeitet hat.

Sharleen hofft, dass ihr erstes Soloalbum auch in Deutschland ein Erfolg wird.

Und dann eilt sie zu ihrer Tochter Misty: Misty ist gerade sechs Jahre alt geworden, hat die Schneidezähne verloren und sieht aus wie nach einem Boxkampf!

Katy Perry




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