Geschichten & Gespräche mit internationalen
Künstlern und Künstlerinnen
11.10.2011

James Morrison

In den zwei Jahren, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, ist im Leben von James Morrison viel passiert. Er selbst ist Vater geworden und sein eigener Vater ist gestorben, nachdem er jahrelang gegen seine Alkoholsucht und eine Depression angekämpft hatte. All das hat James nachdenklich gemacht.

Zuerst haben wir uns im vergangenen Juni in Berlin getroffen, wo James einige Songs seines neuen Albums "The Awakening" präsentiert hat. Das Album beinhaltet persönliche Songs, die allerdings nicht nur von Trauerarbeit handeln. Es geht auch um den Aufbruch, den Spaß und um ganz große Gefühle. Als James zum Beispiel eines Tages lange wortlos war und seine Freundin Gill auch nichts sagte, meinte er fast trotzig zu ihr: "Say something now!" - Sag' endlich etwas! Daraus ist ein Song geworden.

Und in den Tagen, in denen ihn seine Trauer regungslos gemacht hat, tröstete er sich damit, dass er seinen Vater vielleicht hin und wieder im Traum sehen kann. "In my dreams" ist ein großartiges Lied geworden und James betont, dass er sich seiner Tränen, als er den Song geschrieben hat, nicht schämt.

"The Person I should have been" geht zurück auf ein Gedicht, das James nach einem Gespräch mit seinem im Sterben liegenden Vater geschrieben hatte. "Ihm ging es kurz vor seinem Tod sehr, sehr schlecht, und wir unterhielten uns über all die Dinge, die er hätte tun sollen - oder auch über Dinge, die ich hätte tun sollen. Mich hat das ganz schön aus der Bahn geworfen; ich musste also einfach darüber schreiben, um nicht durchzudrehen." James kann einem nichts vormachen, er ist so, wie er ist und sagt: "'The Awakening' ist ein echtes Album: zeitlos und warm, voller Seele und Songs, die auch nach Jahren noch gut klingen."

Als wir nach einem Wolkenbruch auf einer schönen Terrasse über das Erlebte und kommende Zeiten reden, sagt James, dass er eigentlich Cartoonist werden wollte. Er liebt nach wie vor den Spaß. Dass er als Musiker erfolgreich geworden ist, nimmt er so hin: Wenn seine Karriere morgen zu Ende wäre, wäre das gar nicht schlimm. Er musste im Leben immer schnell lernen und er weiß, dass der Erfolg nicht das Wichtigste ist. Er würde weiter Musik für sich machen. Aber er weiß, dass er ein tolles Album gemacht hat und dass er uns noch viel zu bieten hat.

An dieser Stelle eine kleine Rückblende:

10. September 2011

James Morrison kam zu einem sehr kleinen "hr3 - ganz nah"-Konzert, bei dem nur 30 hr3-Hörer anwesend waren. Ich durfte ihn ansagen und bei James fällt mir immer ein, dass er genau das macht, worum es in der Musik geht: Er macht tolle Songs und er ist ein großartiger Künstler.

Bei diesem kleinen Konzert hat er noch einmal gezeigt mit welcher Leidenschaft er Musik macht und dass er als Künstler verstanden werden will - und nicht als Popstar.

Anfang Oktober 2011 ist sein drittes Album "The Awekening" direkt auf Platz 1 der britischen Charts eingestiegen. James sieht das Album als sein eigentliches erstes Album und er sagte in einem Interview, dass er dieses Album machen MUSSTE! Er erklärt: Er war kurz davor alles hinzuschmeißen. Wenn "The Awekening" nicht so geworden wäre, wie er sich das vorgestellt hatte, hätte er keine weiteren Alben mehr machen wollen.

Trotz des großen Erfolgs hat er sich als eine andere Ausgabe seiner selbst gesehen. Die Menschen um ihn haben sich verändert, seine Schwester litt darunter, dass sie plötzlich für jeden nur noch die Schwester von James Morrison war. James hat sich nicht drum gekümmert ob er auf Platz 1 der Charts steht. Er war einfach ein fröhlicher Junge, der Musik machen wollte. Und dann verlor er die Kontrolle über sein eigenes Leben. Er dachte, seine Geschwister und seine Freunde würden sich über seinen Erfolg freuen, doch die Dinge haben sich anders entwickelt. Er war plötzlich der Popstar, der er nicht sein wollte. Er war kaum zu Hause und man sagte ihm immer wieder wo er hinzugehen hatte und welche merkwürdigen Dinge, die nichts mit Musik zu tun hatten, die aber dazu beitragen sollten dass der Erfolg anhält, er z.B. im Fernsehen tun sollte.

Dass er Vater geworden ist und sein eigener Vater gestorben ist, hat James nachdenklich gemacht und er hat sich gefragt, was wirklich im Leben zählt. Das ist für ihn seine Familie und das ist für ihn seine Musik, so wie er sie machen will. Und wenn das neue Album erfolgreich wird: Okay. Und wenn nicht, dann hat er Songs geschrieben, die ihm etwas bedeuten und er ist stolz auf sie.

Die erste Single aus dem Album heißt "I won't let you go". Gab's Stress mit seiner Freundin Gill? Keineswegs. Der Song ist natürlich schon für Gill, aber: "Es geht nicht um sie als meine Freundin, es geht nicht um mich als ihren Freund und eine Beziehung, in der es vielleicht nicht gut läuft. Es geht um mehr. Es geht darum, dass ich sage: Ich bin für dich da, ich stehe zu dir, egal was passiert. Ich wollte sagen: Es passieren so viele schlimme Dinge in der Welt, und es sollte ein Song sein, mit dem die Menschen etwas anfangen können. Ich wollte eine Art Hymne schreiben, in der es heißt: Ich bin für dich da."

Von seinem ersten Geld hat er zuerst seiner Mutter ein Haus gekauft - und erst jetzt für sich, Gill und Elsie. Und er macht schon ganz große Pläne und freut sich auf Weihnachten, wenn die ganze Familie zusammen sein wird. Es ist schon eine Weile her, dass alle zusammen waren. Das wird vielleicht am Ende auch ein Albtraum, aber Elsie ist jetzt in einem Alter, in dem sie sich später an Dinge erinnern kann und James freut sich.

Und wir freuen uns auf nächstes Jahr, wenn James Morrison auf Tour kommt.

James Morrison




© 2024 Lidia Antonini